Vollstreckungsabwehrklage

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Die Vollstreckungsabwehrklage ist als prozessuale Gestaltungsklage (767 ZPO) ein wichtiger Rechtsbehelf des Vollstreckungsschuldners im Rahmen einer gegen ihn noch nicht beendeten Zwangsvollstreckung: Sofern der Schuldner mit dem Rechtsbehelf erfolgreich ist, wird die Vollstreckbarkeit des Schuldtitels beseitigt ohne dass der im Erkenntnisverfahren titulierte Anspruch in seinem Bestand als Schuldtitel berührt wird. Denn damit die Vollstreckungsabwehrklage statthaft ist, dürfen die gegen den Titel geltend gemachten Einwendungen erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung (im Erkenntnisverfahren) entstanden sein. Auch die Vollstreckungsabwehrklage darf den Grundsatz der materiellen Rechtskraft (§ 333 ZPO) nicht aushebeln, sondern soll einem erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung veränderten Lebenssachverhalt Rechnung tragen.

 

Bei der Vollstreckungsabwehrklage wird der Vollstreckungsschuldner zum Kläger und der Vollstreckungsgläubiger zur beklagten Partei. Örtlich und sachlich ausschließlich zuständig ist das Prozessgerichts des Erkenntnisverfahrens erste Instanz, §§ 802, 767 ZPO.

 

Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn dem Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel zustehen, die nicht präkludiert im Sinne von nach § 767 Absatz 2 ZPO sind. Danach sind alle Einwendungen präkludiert, bei denen die Tatsachen, auf denen sie beruhen, schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Tatsacheninstanz im Erkenntnisverfahren) vorlagen. Maßgeblich für den Zeitpunkt sind allein objektive Kriterien; die subjektive Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vollstreckungsschuldners ist grundsätzlich unerheblich.

 

Vor diesem Hintergrund ist die Behandlung von Gestaltungsrechten insbesondere die Aufrechnung im Rahmen des § 767 Absatz 2 ZPO fraglich: Denn einerseits liegen hier die objektiven Tatsachen üblicherweise bereits vor (Aufrechnungslage entstanden), andererseits wird eine Aufrechnung aber erst durch ihre Ausübung (Aufrechnungserklärung als empfangsbedürftige Willenserklärung) materiell-rechtlich wirksam (Aufrechnungslage wirksam vollzogen).

 

Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit stellt die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung gleichwohl auf den Zeitpunkt ab, in welchem die Aufrechnungslage objektiv entstanden ist und nicht auf den Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts.

 

Diese Sichtweise hat der Gerichtshof (BGH) II ZR 170/17 mit Urteil vom 25.06.2019 nochmals für die Sonderkonstellation „Aufrechnung gegen Ansprüche aus einem rechtskräftigen Urteil“ bestätigt, wenn es dort heißt, „die Aufrechnung gegen eine durch Urteil titulierte Forderung unterliegt den Einschränkungen, denen sie unterläge, wenn sie im Wege der Vollstreckungsabwehrklage eingewendet worden wäre; ist eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Titelschuldners insoweit präkludiert, wird sie so behandelt, als sei die Aufrechnung nie erklärt worden“.

 

Diese Sichtweise ist konsequent, wenn die Aufrechnungsforderung schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren bestand, denn dann hatte es ausschließlich der Aufrechnungsberechtigte in der Hand, durch Abgabe einer einseitigen (empfangsbedürftigen) Willenserklärung die Wirkung der Aufrechnung herbeizuführen.

 

Wurde dieser Zeitpunkt verpasst, bleibt dem Aufrechnungsberechtigten die Möglichkeit, Klage zu erheben und seinen Anspruch innerhalb der maßgeblichen Verjährungsfristen zu titulieren (Vollstreckbarer Titel). Erst damit wieder könnte er wirksam aufrechnen. Wird der Schuldner über diese Konsequenzen durch seinen Berater (Prozessbevollmächtigte) ggfs. nicht vollständig aufgeklärt, kann darin eine haftungsbegründende Pflichtverletzung liegen.